Das Stadtbad – Europäisches Kulturdenkmal und aktive Sportstätte

Die Bedeutung des halleschen Stadtbades

Das zwischen 1913–1915 nach den Entwürfen von Wilhelm Jost (1874–1944) errichtete hallesche Stadtbad ist sowohl in seiner architektonisch herausragenden Gestalt als auch in seiner Funktion einer der bedeutendsten öffentlichen Nutzbauten der Stadt Halle im frühen 20. Jahrhundert. Es hat eine lange Geschichte und ist mittlerweile europäisches Kulturdenkmal und aktive Sportstätte.

Architektonisch weitestgehend in seiner Grundstruktur erhalten, steht das hallesche Stadtbad auf einer Stufe mit den berühmtesten Bädern seiner Zeit. Es ist in einer Reihe mit dem Müllerschen Volksbad in München (1901), dem Stadtbad in Gotha (1909), dem Volksbad in Darmstadt (1909), mit dem Leipziger Stadtbad (1916) und dem Dianabad in Wien (1917) zu nennen. Von seiner auffälligen repräsentativen äußeren Gestalt der sonst schlichten Reformarchitektur und seinen einen späten Jugendstil repräsentierenden Innenräumen ist zwar wenig verloren gegangen, aber dennoch schaden einige Verluste dem Gesamteindruck. Gerade der seit 1957 einsetzende schrittweise Umbau des Bades mit einem völligen Unverständnis gegenüber dem Charakter des Bauwerks führten zu einer Verstümmelung (Turmbekrönung, Kassenhalle). Dieses Vorgehen gipfelte im Abris­s des Licht durchflutenden Gewölbes der Männerschwimmhalle und deren Ersatz durch ein Wellblechdach.

Der Bautypus eines Stadtbades

Die Entwicklung von kommunalen Volksbädern geht auf den Wunsch zurück, auch im Winterhalbjahr Körperhygiene pflegen zu können. In Anbetracht der noch im 19. Jahrhundert vorkommenden Cholera- und Typhusepidemien war es den Kommunen wichtig, die hygienischen Bedingungen zu verbessern. Nach mehreren Anläufen bildete sich mit der Errichtung des Müllerschen Volksbades in München ein fester Bautypus heraus. Ein Stadtbad bestand aufgrund der Geschlechtertrennung in der Regel aus zwei Schwimmbecken, Wannenbadabteilungen, Brausebadabteilungen und einem römisch-irischen Bad.
Die funktionelle Ordnung und das Aussehen oblagen gängigen Vorstellungen. Demnach lagen die Räumlichkeiten für die Damen traditionell links und die der Herren rechts. Das Schwitzbad, welches von beiden Geschlechtern zu unterschiedlichen Zeiten nutzbar war, sollte dementsprechend in der Hauptachse liegen.
Es gab in in diesen Einrichtungen immer die Bereiche der Körperhygiene und die Bereiche für die Körperertüchtigung – diese wurden dann im Laufe der Jahre zu aktiven Sportstätten.

Die Planungen für die städtische Schwimm- und Badeanstalt

Die Idee für eine städtische Schwimm- und Badeanstalt in Halle kam bereits Ende des 19. Jahrhunderts auf, da bisher nur für ca. 13 % der Bevölkerung ein Bad mit fließendem Wasser in der Wohnung zur Verfügung stand. Es existierten um 1910 zwar 16 private Bäder, darunter 7 Flussbadeanstalten, doch waren die Eintrittspreise, die von den Besitzern bestimmt wurden, für die ärmere Bevölkerung unerschwinglich. So bestand im Winter, wenn man nicht in der Saale baden konnte, keine Möglichkeit zur Körperhygiene. Das folgende Zitat zeigt die Einstellung der Stadtverordnetenversammlung um 1900: „Im Sommer badet man in der Saale und im Winter badet man überhaupt nicht!“
Doch zu Beginn des Jahres 1907 beschlossen die städtischen Körperschaften endlich den Bau eines Hallenbades auf dem Grundstück zwischen Großer Steinstraße und Schimmelstraße.

Das zukünftige Stadtbad lag ideal an der Großen Steinstraße, denn durch sie fuhr seit 1889 die Straßenbahn und somit war es für Bewohner entfernter Stadtviertel gut zu erreichen.
Die Ergebnisse eines Wettbewerbs, den das städtische Hochbauamt 1911 ausgeschrieben hatte, waren architektonisch unzulänglich und hätten zu hohe Unterhaltungskosten geführt. Deshalb wurden diese Entwürfe abgelehnt.
Mit dem Amtsantritt von Wilhelm Jost als Stadtbaurat im April 1912 begannen die Bemühungen um ein Stadtbad erneut. Jost begann die vorliegenden Entwürfe grundlegend zu überarbeiten. Am 30. Juni 1913 wurde sein Entwurf genehmigt, sodass am 1. August 1913 mit dem Bau begonnen werden konnte.
Die Nutzung des 40°C warmen Kühlwassers, das vom Gaswerk über eine Trasse zugeführte wurde, ermöglichte die Senkung der Heizkosten von rund 45.000 RM jährlich. Damit hatte Wilhelm Jost ein sehr überzeigendes überzeugende Argument für die Politiker.

Trotz des Ersten Weltkrieges konnte der Bau 1915 fertiggestellt und am 16. Februar 1916 feierlich eröffnet werden. Es ist das einzige kommunale Gebäude der Stadt Halle, das im Ersten Weltkrieg fertig gestellt und eröffnet wurde.

Baubeschreibung des Äußeren

Die verwinkelte Form des Grundstücks bedingte den Aufbau des Bades. Durch einen breiten Torbogen gelangt man in den lang gestreckten Hof, um die zentral gelegene Kassenhalle zu erreichen. Hier erfolgte einst die Trennung zwischen der Damen- und Herrenseite. In Richtung Osten schließt sich an die Kassenhalle die Männerhalle an und in Richtung Norden, die Frauenschwimmhalle. Sie verfügt über Zugänge zum ehemaligen Direktorenwohnhaus (heute Ordnungsamt). In den dreigeschossigen Gebäudeteilen, die den Hof zwischen Torbogen und Kassenhalle flankieren, befanden sich die Hygieneabteilungen.  Im Untergeschoss waren das die Brausebäder, die Wannenbäder im Erdgeschoss und die Ruheräume im Obergeschoss. Diese gehörten zu dem im Straßenflügel befindlichen römisch-irischen Bad.
Die Fassadengestaltung sollte das Bad als öffentlichen Bau kennzeichnen. So bestimmen massive Mauerflächen das viergeschossige Gebäude. Südlich der Fassadenmitte überhöht ein turmähnlicher Baukörper mit wellenartig verziertem Giebel und aufgesetzten Zapfen die Toreinfahrt. Die Blendarkaden erinnern dabei an Renaissancepalais.
Auch wenn wir heute die Schönheit der Architektur bewundern, waren diese Stadtbäder einerseits Nutzbauten, aber auch Prestigebauten. Zu Kulturdenkmalen wurden sie erst über die Jahrzehnte hinweg.

Der rundbogige Durchgang wird dem Thema entsprechend von den Meeresgottheiten Triton und Nereide (links) und einer Tritonin (rechts) flankiert. Beide Plastiken,  die als Wächterfiguren den Eingang bewachen, wurden aller Wahrscheinlichkeit nach von Paul Horn (1876–1959) geschaffen. Der Eingang zur zentralen Kassenhalle wird von zwei kannelierten Pilastern, die ein gebälkartiges Vordach stützen, flankiert. Dort begrüßen – stark beschädigt – Neptun und Amphitrite die Besucher.

Baubeschreibung des Inneren

Wilhelm Jost legte besonderen Wert auf die Innengestaltung des Stadtbades. Er wollte unterschiedliche Raumeindrücke vermitteln, was durch die Verwendung verschiedenartiger und verschiedenfarbiger Keramiken möglich war. Die Kassenhalle als Herzstück und Drehkreuz des Bades empfing den Besucher ursprünglich mit einer lichtdurchfluteten Kassettendecke. Durch Arkaden gegliedert, bestimmt der im Fußboden und an den Arkadenpfeilern verwendete dunkelbraune Klinker den gesamten Raumeindruck der Empfangshalle.
Das 26 m lange Becken der sogenannten Männerschwimmhalle war damals die erste Wettkampfstätte für den Schwimmsport in Halle. Das Becken wird von achtseitigen Pfeilern umfangen. Die umlaufende Galerie trug ursprünglich ein weites durch Stichkappen beleuchtetes Tonnengewölbe. Heute wird durch das fehlende Tageslicht der Raumeindruck völlig verfremdet. Die auf den Pfeilern angebrachten Keramikreliefs mit figürlichen Szenen und geometrischen Ornamenten sind weitestgehend erhalten geblieben.

Die wesentlich kleinere Frauenschwimmhalle weist einen ovalen Grundriss auf. Sie konnte ihren bauzeitlichen Charakter bewahren. Ähnlich der großen Halle, umstehen auch hier achtseitige Pfeiler das ovale Becken. Die Pfeiler tragen eine in Rabitz-Bauweise ausgeführte Kuppel. Auch hier beleuchten Stichkappen mit großen Sprossenfenstern den Raum von allen Seiten.
Die Einheit aus der ovalen Form, den vielfältigen Keramikverzierungen und der beruhigenden smaragdgrünen Farbgebung verleiht der Frauenschwimmhalle einen beinahe orientalischen Charakter. Die hier verwendeten figürlichen Reliefplatten an den Pfeilern, am Architrav und an der Galeriebrüstung sind vielfältiger und verspielter als in der Männerschwimmhalle. Ursprünglich befand sich ein Brunnen mit Seepferdchen und einem stehenden Putto im Becken.
Aufgrund seiner repräsentativen Raumgestaltung ist auch das römisch-irische Bad hervorzuheben. In seiner Raumfolge – Dampfbad, Warmluftbad und Heißluftbad – bildet der mit einer geschuppten Rundkuppel überwölbte Duschbereich (über der Toreinfahrt liegend) einen weiteren gestalterischen Höhepunkt. Blaugraue, teilweise auch in das violette Farbspektrum reichende Kacheln sowie einzelne figürliche und florale Reliefkacheln bestimmen den Raumeindruck.

Der Wasserturm

Von vielen Standorten weithin sichtbar, überragt der Wasserturm das Stadtbadareal. Seine ursprüngliche Funktion war die eines Druckausgleichsbehälters, wie es an vielen Hallenbädern der Zeit notwendig war. Jedoch gibt es wenige historische Bäder, an dem der Wasserturm so dominant und prägnant in das Stadtbild eingefügt wurde.
Als technische Notwendigkeit, um den Wasserdruck im Bad konstant zu halten, erfüllte er zudem die Funktion eines optischen Leuchtturms und so kommt ihm noch heute ein identitätsstiftender Zweck zu.

Der Turm schließt mit einer achtseitigen Laterne ab. Sie ist doppelreihig angelegt, mit je 8 Schweifgiebeln auf deren Enden jeweils ein kupferner Zapfen steht. Wilhelm Jost passt den Turm auf herausragende Weise in die noch heute fast identische Stadtsilhouette ein. Vorbilder, die der Architekt nicht kopierte, sondern bewusst adaptierte, sind die Turmabschlüsse der Hausmannstürme sowie der verloren gegangene Turm des alten Rathauses.
Eine überlebensgroße Kupferplastik bildete den gestalterischen Höhepunkt des Außenbaues. Diese Figur war angelehnt an die vom griechischen Künstler Boidas (330 v. Chr.) geschaffene Figur des Betenden Knaben (heute in der Berliner Antikensammlung). Unsere Turmfigur wurde demnach nach antiken Idealvorstellungen geformte. Sie symbolisiert vor Kraft und Gesundheit und sie verweist darauf, dass es an diesem Ort um den gesunden, kräftigen und vitalen Menschen geht.
Noch in den 60-er Jahren des 20. Jahrhunderts im Keller des Stadtbades fotografiert, gilt sie heute leider als verloren.

Der Turm kennzeichnet das Stadtbad heute weithin sichtbar über den Dächern der Stadt als Kulturdenkmal und Sportstätte.

Das Stadtbad im 21. Jahrhundert

Im Oktober 2012 begann die Zukunft des historischen Stadtbades in Halle: mit der Schließung der Frauenhalle. Denn dieses Ereignis führte dazu, dass erstmals nachhaltig über die Entwicklung dieses Kulturdenkmals und aktive Sportstätte diskutiert wurde. Über Jahrzehnte hatte sich ein erheblicher Investitionsstau gebildet.
Viele Bereiche wurde bereits geschlossen. Die komplette Schließung abzuwenden, war das Ziel der Bürgerbewegung, die zur Gründung des Fördervereins Zukunft Stadtbad Halle e.V. im Jahr 2014 führte. Die Schließung konnten wir bisher abwenden. Nun ist die Entwicklung des Stadtbades zu einem ganzheitlichen Bewegungs- und Gesundheitszentrums wichtig mit den zentralen Themen: Medical Wellness, Fitness, Seniorentauglichkeit, Schulschwimmen, Entspannung und Tourismus.

Vieles ist seither geschehen.
Mehr denn je steht das Stadtbad im Fokus der Stadtgesellschaft und wird als aktive Sportstätte, als Kulturdenkmal und Begegnungsort gewürdigt.
Mit Unterstützung des Fördervereins konnte die Betreibergesellschaft Bäder Halle GmbH zahlreiche Sanierungsmaßnahmen auf den Weg bringen.
In den Jahren 2019 und 2020 gelang der große Wurf. Auf Einladung des Fördervereins waren Vertreter des Bundes und des Landes zu Besichtigungen im Stadtbad. Darauf hin wurden von Bund und Land 13,4 und 6,5 Millionen € staatliche Mittel zur Sanierung des gesamten Gebäudekomplexes zur Verfügung gestellt.
Die Mittel stehen für die Sanierung eines national bedeutsamen Baudenkmals zu Verfügung. Die Mittel sind bei der Sanierung so einzusetzen, das Stadtbad als Leuchtturmprojekt mit Strahlkraft weit über Halle hinaus zu entwickeln: als Gesundheits-, Sport- und Entspannungszentrum.

Stand: Sommer 2020

Die Texte zur Geschichte des Stadtbades basieren auf: Mathias Homagk: Gebaut habe ich genug. Wilhelm Jost als Stadtbaurat in Halle an der Saale (1912-1939). Halle: 2013.